Kulturort Kino in Berlin

In der Sitzung des Medienausschusses am 9. März 2022 war der Vorsitzende der AG Kino und des Verbandes der Europäischen arthouse Kinos, Dr. Christian Bräuer, zu Gast und präsentierte den Abgeordneten einen spannenden Überblick über die Situation der Programm- und Arthouse-Kinos. Der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Goiny, hat die spannendsten Punkte und wichtigsten Informationen hier kurz zusammengefasst:

  • Kino ist die (mit Abstand) beliebteste Freizeitbeschäftigung in der Hauptstadt: 82 % waren 2019 mind. einmal im Kino (Bund: < 40 %), 46 % mehr als viermal In allen Alters- und Bildungsgruppen war mehr als die Hälfte mind. einmal im Kino 2019 wurden 9.224.520 Tickets verkauft (2,52 Tickets pro EW; Bund: 1,43 %). Das Publikum unterstützte die Kinos und kam nach beiden Lockdowns zurück.

  • Berlin ist Welthauptstadt des Kinos, steht für Kino- und Programmvielfalt. Berlin hat weltweit ebenso die meisten Kinos wie die meisten Filmkunsttheater.

  • Besucheranteil der Arthouse-Kinos liegt bei 28 % (Bund: 15 %)

  • Berliner Kinos sind Lokomotive für Film- und Kinowirtschaft

  • Arthouse-Filme erreichen in Berlin oft einen Besuchermarktanteil von 30 % und mehr. Erst wenn Arthousefilme in Berlin erfolgreich sind, laufen sie auch in kleineren Städten. Das beflügelt die gesamte Filmwirtschaft, davon profitiert die Filmwirtschaft

  • Berlins innovative Kinolandschaft hat international Strahlkraft und Leitfunktion

AKTUELLE SITUATION UND TRENDS

  • Kinos zählen zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Bereichen. Insgesamt fast 12 Monate Lockdown; fortdauernd hohe Hygieneauflagen.

  • Steiniger Weg zur ‚neuen Normalität‘ nach der Pandemie. Kinomarkt ist ausgezehrt – fehlende Etats für Herausbringung und Modernisierungen lassen ‚Nachwellen‘ erwarten. Teile des Publikums bleiben skeptisch beim Besuch von Innenräumen

  • Verschiebung der Geschäftsmodelle zu Streaming-Giganten

  • Drastisch steigende Kosten infolge der Pandemie belasten die Geschäftsmodelle. Marktmacht-Monopolisierung im Medienbereich und Marktkonzentration bei Studios und Multiplex-Ketten gefährden fairen Wettbewerb und Programmvielfalt. Verdrängungswettbewerb durch Multiplex-Ketten (Preis-Dumping)

  • Benachteiligung von Arthouse-Kinos bei den Konditionen der Filmbelieferung. Erhebliche Verkürzung des Auswertungsfensters der Kinos

  • Dominanz amerikanischer Filme und amerikanisierter Erzählstrukturen. Produktionen für den Weltmarkt dominieren die Plattformen

  • Funktionsweise der sozialen Medien erschwert die Sichtbarkeit kulturell anspruchsvoller Werke – Tendenz zu ‚Hypes‘, was nicht gelikt oder geteilt wird, fällt durch

ROLLE DES KINOS

  • Während sich das Umfeld (Markt, Gesellschaft, Rahmen des Kinobesuchs) rapide verändert, bleiben das Kinoerlebnis selbst und die Rolle des Kinos unverändert:

  • Nachbarschaft: Kino als Teil der Nachbarschaft, kulturelle Institution im Kiez. Filmwirtschaft: Kino als Herzkammer für Filme jenseits der Blockbuster. Demokratie: Kino als inklusiver Ort und kollektiver Diskursraum

HERAUSFORDERUNGEN

  • Wiederbelebung der Kultur und Vertrauensbildung in Innenräume

  • Erhalt und Modernisierung der Kinos zur Sicherung der Sichtbarkeit filmischer Vielfalt

  • Arthouse-Kinos haben Geschäftsmodelle mit hohem gesellschaftlichem und kulturellem Engagement: Erlösstruktur ermöglicht keine grundlegenden Investitionen zur Erneuerung der Gebäude, Technik und Ausstattung. Hilfsprogramme berücksichtigen keine Rücklagenbildung für Tilgungen und Investitionen

  • Zukunftsprogramm Kino des Bundes ist unterbudgetiert. Zusätzlicher Investitionsbedarf durch ökologische Modernisierung und digitale Transformation von Projektoren, Kundenkommunikation und Haustechnik

  • Stärkung der Programmvielfalt und Ausbau der Publikumsentwicklung zur Sichtbarkeit. Kuratierte Programme sowie Events als Schlüssel für Sichtbarkeit von Vielfalt. Filmvermittlung insbesondere beim jungen Publikum gewinnt an Bedeutung. Zusätzlicher Aufwand der Kinos für Programm und Kommunikation korrespondieren mit hohem gesellschaftlichem und filmwirtschaftlichem Mehrwert dieser Aktivitäten.

Bereits in der letzten Wahlperiode haben die Medienpolitiker des Abgeordnetenhauses eine gemeinsame Initiative gestartet, um die europäische Film- und Kinolandschaft zu stärken, insbesondere gegen internationale Plattformen und Großkonzerne. Die Bewältigung der Corona Pandemie stellt eine besondere Herausforderung dar, die weitere Unterstützung der Kinolandschaft nötig macht. Darin waren sich die Mitglieder des Medienausschusses am letzten Mittwoch mit der AG Kino einig.

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